Was genau ist 08/16, bzw. was sind die 1. Filmtage Havelland?
G. Konsor: Das ist ein neues Festival, das im Oktober 2005 zum ersten Mal im Havelland stattfinden wird. Das Festival soll als Biennale stattfinden, und in den Zwischenjahren wird es jeweils kleinere Veranstaltungen geben, die auf das nächste Festival vorbereiten. W. Gerling: Die 1. Filmtage Havelland sind der Versuch, ein neues Format von Festival zu generieren. Es geht darum, mehr zu sein als ein Filmfestival bzw. etwas Anderes zu sein als ein herkömmliches Filmfestival.
Was ist der Schwerpunkt des diesjährigen Festivals und wie kam es dazu?
R. Eckelt: Dieses Mal ist es der Amateur. Das Amateurthema ist dadurch entstanden, dass wir das Amateurfilmarchiv "Havelland privat" betreiben und dass wir gemerkt haben, dass der Amateur ein sehr spannendes Thema ist, das viel mehr beinhaltet als man auf den ersten Blick denkt. Zum Beispiel, dass die Grenze zwischen Amateur und Profi unter Umständen auch fließend sein kann; dass der Amateur nach der landläufigen Meinung jemand ist, der es nicht richtig kann, also jemand, der auch ein bisschen belächelt wird. Aber dass ein Amateur von der Wortbedeutung her eigentlich ein Liebhaber ist, der eine ganz große Kraft in diese Liebhaberei investiert, wird oft übersehen. Ch. Hoffmann: Der Amateur ist die Schnittstelle für viele verschiedene Bereiche, also auch die Schnittstelle zur Kunst. Viele Künstler gebrauchen Medien nicht im Sinne des Profis, sondern experimentieren mit dem Medium. Diese kreativen Aspekte haben mich am Thema Amateur interessiert.
Woher kam die Idee für ein solches Festival?
G. Konsor: Die Idee kam daher, dass ich mich zusammen mit Roland Eckelt als "atelier havelblick" seit einigen Jahren mit dem Amateurfilm beschäftige. Dabei sind wir auf sehr seltenes, seltsames und interessantes Filmmaterial gestoßen, das wir auch schon im kleinen Rahmen öffentlich gemacht haben. So entstand die Idee, das Thema auch mal einem größeren Publikum vorzustellen. W. Gerling: Ein weiterer Anlass war, etwas in einer näher gelegenen ländlichen Region zu tun, weil es schon etwas eigentümlich ist, wie sich alles immer nach Berlin orientiert oder im besten Fall noch nach Potsdam – aber auf jeden Fall nicht ins Land hinein. Es ist sehr interessant Projekte zu entwickeln, die sich ausserhalb dieser etablierten Orte befinden.
Worin besteht der signifikante Unterschied zu anderen Filmfestivals?
K. Konrad: Der größte Unterschied ist der, dass nicht nur Filme gezeigt werden, sondern sich die Besucher auch innerhalb des Rahmenprogramms mit dem Phänomen des Amateurs auseinandersetzen können. G. Konsor: Wir wollen ein Festival machen, dass ein Kulturevent ist. Ein Event, das einen Bezug zu der Region hat, in der es stattfindet, und somit auch auf eine neue Art die Festivalthematik angeht. Dort, wo Menschen wirken oder gewirkt haben, soll der Alltag ganz aktiv in das Festival einbezogen werden, so dass ein Angebot entsteht, wo Leute nicht nur Filme gucken gehen, sondern etwas tun und erleben können. Ch. Hoffmann: Das Ganze ist inhaltlich stärker eingebettet – es geht nicht um eine Art Leistungsschau, sondern um ein interdisziplinäres Projekt, bei dem das Phänomen Amateurfilm mit Rücksicht auf Vergangenheit und mit Hinblick auf die Zukunft untersucht wird. Es ist thematisch wesentlich ausgereifter und runder.
Kurz umrissen, welche Aspekte umfasst das Festival?
W. Gerling: Um nur einige Themen zu nennen: Filme über Amateurfilm, der Amateurfilm aus den Studios und die Filme, die unter dem Titel Machinima / Remakes laufen werden – also Filme, die in erster Linie von Fans produziert werden. Fans von Star Wars, Fans von Indiana Jones, die Fortsetzungen drehen; die sich darüber lustig machen; die den Ausgang benutzen, um damit etwas Neues zu tun. Es geht mir darum zu zeigen, dass Filmemachen ein Impuls für Menschen sein kann, etwas zu tun. Ch. Hoffmann: Ich bin im Rahmen des Festivals dafür zuständig, ein Symposium zu organisieren, um die Sache inhaltlich zu durchleuchten und zwar nicht so sehr politisch-soziologisch. Es geht dabei eher um den Begriff des Amateurs und die Fragen: Warum tut man so etwas in seiner Freizeit? Wie ist die Herangehensweise? Wie verknüpft sich das mit anderen Bereichen? Welche Chancen und Möglichkeiten bietet diese Art der Tätigkeit heute und in der Zukunft? R. Eckelt: Es wird verschiedene Filmschienen geben; Andreas Dresen wird dort mit seinen frühen Filmen bis heute präsentiert sein; es wird Filme von Jugendlichen geben; es wird einen Jugendfilmwettbewerb geben – also das Thema Amateur wird umfassend abgehandelt.
Inwiefern ist der Amateurfilm gesellschaftlich relevant?
R. Eckelt: Aus dem Amateurwesen sind ja durchaus auch neue Genres und andere neue Sachen entstanden, die es sonst überhaupt nicht geben würde. G. Konsor: Es ist natürlich so, dass der Amateur dadurch, dass er seinen Alltag dokumentiert, schon in sich ein gesellschaftliches Phänomen ist und die verschiedenen Ausprägungen des Amateurs spiegeln die Zeit und die Gesellschaft wieder. Insofern ist der Amateurfilm ein sehr reales Ausdrucksmittel, das Realität sehr pur und unverfälscht reproduziert und dokumentiert. Ch. Hoffmann: Der Amateurfilm ist Träger für viele Informationen zugleich. Es ist eine Art soziales Gebilde. Da spiegeln sich Familiengeschichten, Hierarchien, soziale Gefüge. Es ist nicht primär ein Kunstprodukt, also nicht so sehr auf Ästhetik angelegt. Es geht um Konstruktion von Geschichten, um die Einbindung des eigenen Lebens in den gesellschaftlichen Kontext und um die Strukturierung dieser Erfahrung.
An welche Zielgruppe richten sich die 1. Filmtage Havelland?
W. Gerling: Ich glaube, es ist eine sehr heterogene Gruppe, die angesprochen werden soll – sozusagen vom Wissenschaftler, über den Amateurschaffenden bis zum interessierten Spezialisten – also bis hin zu denen, die sich für diese Randnutzung von Medien interessieren. G. Konsor: 08/16 richtet sich eigentlich an die ganze Familie. Wir wünschen uns, dass sowohl Leute von hier kommen als auch Leute von ausserhalb und dass alle eine interessante Zeit haben und mit neuen Gedanken wieder weggehen.
Welche Rolle spielen die Veranstaltungsorte?
K. Konrad: Premnitz ist sozusagen das Herz des Festivals. Ausgehend von den Betriebs-Filmstudios ist es überhaupt erst zu dem diesjährigen Konzept des Festivals gekommen. Und die Kreisstadt Rathenow ist nicht zuletzt wegen der guten Erreichbarkeit und des Veranstaltungsortes, also des Kulturzentrums, attraktiv. G. Konsor: Das Entscheidende ist, es findet im Havelland statt, in der "Provinz" und wir versuchen die Provinz dadurch zu beleben und vor allen Dingen den Leuten ins Bewusstsein zu rücken, dass das Havelland nicht nur eine Landschaft ist, durch die ein Fluss fließt, sondern dass es hier sehr interessante Orte gibt.
Warum ist es dir persönlich wichtig, dass das Festival stattfindet?
K. Konrad: Weil hier unterschiedliche Leute mit verschiedenen Backgrounds an einer gemeinsamen Festivalidee fürs Havelland arbeiten. So ein Festival, das nicht nur die klassische Filmschiene bedient und auch beim Thema Amateur nicht rückwärts gewandt ist, sondern nach vorne blickt, ist in dieser Form einmalig. W. Gerling: Mir persönlich ist es wichtig aus der Sicht des Lehrenden mit Studenten an solchen Projekten zu arbeiten. Ausserdem interessiert es mich, wie sich Menschen an dem Festival aktiv beteiligen. Ich will gerne sehen, wie sich Menschen in die Filmkaraoke begeben und plötzlich so tun, als ob sie Clark Gable wären. R. Eckelt: Ich finde das Festival wichtig, weil der Amateur oder das Thema Amateur ja immer wieder eine neue Rolle bekommt, und bei dem Festival umfassend behandelt wird – ich glaube, dass wird eine äußerst spannende Sache. Ch. Hoffmann: Ich denke, dass hier eine Verbindung geschaffen wird zwischen einer abstrakten Medienwelt, in der man vor allem konsumiert, und einem Event, das die Möglichkeit bietet, auch selbst aktiv zu werden. G. Konsor: Weil ich persönlich einen großen Teil meines Lebens hier im Havelland verbringe und es mir ganz wichtig ist, dass hier ein lebendiges Kulturangebot besteht und sich weiterentwickelt. Für mich ist es eine Bereicherung, wenn Leute von ausserhalb herkommen und sich mit den Leuten von hier treffen, und es entsteht etwas Neues. Das ist eine schöne Vision.