Das Seil im temporary bauhaus archiv
11. November 2022:
Das Seil selbst und die soeben fertiggestellte Publikation wahrsager No. 5, die das Seil zum Gegenstand einer kulturwissenschaftlichen Analyse macht, werden im temporary bauhaus-archiv in Berlin präsentiert.
Die Initiator*innen richten aus diesem Anlass wieder eine kollektive Produktionsstrecke ein, um eine Edition aus Original-Materialien des Seils herzustellen. Die Unikate können sofort vor Ort erworben werden.
Mitwirkende: Robert Abts, Birte Hoffmann, Roland Eckelt, Essi Glomb, Alexander Klose, Gabriele Konsor, Gabriele Regiert, Julia Tieke, Nina Wiedemeyer.
Programm
• öffentliche Produktion der Edition
• Sendung Hörstück von Julia Tieke: „…dass das alles noch lebendig ist, zeigt der Lärm dahinter…“
• Lesung aus der Publikation
• Screening Video „Heimarbeit“ von Roland Eckelt
• fortlaufende Diashow zum Projekt
im Anschluss Talk und Diskussion und Wasser und Wein
1. Zoom zum Seil:
7. November
Den Auftakt der Novemberzooms bildet ein Gespräch mit Gerrit Gohlke.
Gerrit Gohlke ist Autor, Kurator und Mediator und leitet bei der Gesellschaft der Neuen Auftraggeber die Regionale Entwicklung.
GG: „Die Frage ist heute nicht, ob Kunst ins Dorf passt, sondern wie Dörfer ihre Kultur verändern können. Denn längst verändert sich das Leben im Dorf so rasant wie in der Stadt. Alle sind mobil, viele werden immer digitaler. Es fällt schwerer als vor 30 Jahren, die Generationen miteinander zu verbinden, und auch Engagement entsteht nicht einfach von selbst.
Wenn Dorf aber nicht gleichbedeutend mit Tradition ist, wird Kunst zur Chance. Kunst weicht Konflikten nicht aus, sondern kann sie produktiv verwandeln. Kunst kann die neuen Bilder erfinden, in denen sich das Dorf von morgen wieder erkennt. Kunst kann Geschichte und Geschichten vor dem Vergessen retten. Kunst kann Aufgaben schaffen, die Junge und Alte gleichermaßen interessieren. Kunst kann helfen, Rollen neu zu verteilen.“
Wir wollen mit Blick auf das Seil von Strodehne mit Gerrit Gohlke darüber sprechen, wie Kunst Dörfer verändert. Für die Initiative "Neue Auftraggeber" hat er zahlreiche Projekte mit internationalen Künstler*innen im ländlichen Raum begleitet und entwickelt.
In welcher Rolle sieht er die Kreativen an diesen Orten? Welche Verantwortung hat Kunst? Welche Voraussetzungen braucht ein Dialog zwischen Kunst und Dorfgemeinschaft?
Uns interessiert aber auch, welche Risiken Kunst im Dorf eingeht - für die Künstler*innen und für das Dorf. Kann die Kunst überfordert werden? Kann sie das Dorf sprachlos machen? Wer hilft, wenn sich beide Seiten nicht verstehen? Und verändert die neue Zusammenarbeit außerhalb der geschützten Kunst- und Museumswelt auch die Kunst?
2. Zoom zum Seil:
21. November
Im Seil von Strodehne sind Materialien und Geschichten miteinander verdreht. Die kollektive künstlerische Aktion involvierte mehr als 100 Dorfbewohner*innen, die als persönliche Beiträge 50 Stränge aus unterschiedlichen, überwiegend textilen Materialien einbrachten.
Im 2. Novemberzoom sprechen Alexander Klose, Essi Glomb und Richard Friebe über die Bedeutung der Material-Zusammensetzung des Seils:
Was kommt durch die Materialien im Seil zum Ausdruck, an Persönlichem, an Gesellschaftlichem?
Was sagen textile Materialien generell über ihre Zeit und deren Menschen aus?
Gibt es eine textile Gesellschaftstheorie?
Und was macht man mit so einem symbolisch hochverdichteten aber in seiner Funktion unbestimmten Objekt wie dem Seil von Strodehne, das aus dem „Textilen“ in die Kunst gewandert ist?
Die Gesprächspartner*innen nähern sich dem Begriff des Materials aus drei Perspektiven:
Alexander Klose ist Kulturwissenschaftler und Kurator und Gründungsmitglied des Forschungskollektivs Beauty of Oil, das sich mit kulturellen und sozialen Aspekten der Technologien und Materialien des Erdöls und anderer fossiler Roh- und Brennstoffe beschäftigt. (beauty-of-oil.org)
Essi Johanna Glomb ist Design-Forscherin mit Fokus auf Textilien und kollaborativen Prozessketten; in ihrer Arbeit verknüpft sie die Felder Design, Wissenschaft, Innovation und Gesellschaft. (www.studioblond.com)
Richard Friebe ist Wissenschaftsjournalist, Autor und Biologe. Als Einwohner Strodehnes steuerte er 2021 zur Produktion des Seils einen Schilfzopf bei.
3. Zoom zum Seil:
28. November
Das Seil von Strodehne ist ein Produkt kollektiver Prozesse. Eine interdisziplinäre Gruppe aus Kunst, Design und Wissenschaft entwickelte Idee und Konzept für das Gemeinschafts-Kunstwerk Seil. Die Herstellung des Seils erfolgte als Kooperation von Künstler*innen, einer Designerin, einem Seiler und den Bewohner*innnen des Dorfes Strodehne.
Wie kollektiv kann Kunst?
Im 3. Zoom werden Kulturwissenschaftlerin Nina Wiedemeyer und bildende Künstlerin Gabriele Regiert das Seil in Hinblick auf seine kollektive Entstehung befragen:
Wie politisch ist das Seil von Strodehne?
Hat es Autor*innen?
Und ist die erfinderlose Technik der Seilherstellung bestens geeignet fürs Kollektive?
Nina Wiedemeyer ist Kuratorin am Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung. Sie sagt allein kriegt sie nichts hin,
Das Kollektive wurde 2022 heiß diskutiert für die documenta fifteen. Ist es einfach nur eine Sehnsucht nicht allein zu sein als Mensch oder doch eher Lösung für Probleme unserer um Inklusion und Gemeinschaft ringenden in Blasen aufgeteilten Gesellschaft?"
Künstlerin Gabriele Regiert war maßgeblich an der Produktion des Seils von Strodehne beteiligt.